Das Holz macht die Musik

Warm soll es durch den Raum schallen und seinem Namen »kleine Bassgeige« alle Ehre machen: das Cello. In seiner Meisterwerkstatt verleiht Stefan Kreul dem Instrument seinen ganz eigenen, charakteristischen Klang – durch alte Handwerkskunst, neue Ideen und das richtige Holz.

Die Ursprünge deutscher Orchestermusik liegen nicht etwa in Berlin oder Hamburg, sondern zwischen Erz- und Fichtelgebirge im sächsischen Vogtland: Die als »Musikwinkel«, »Tal der Musikinstrumente« oder »Musicon Valley« bezeichnete Gegend gilt seit Jahrhunderten als unumstrittenes Zentrum des klassischen Instrumentenbaus. Im Hauptort Markneukirchen wechseln sich kleine Manufakturen mit Mittelstandsbetrieben für Zupf-, Blas-, Streich- und Tasteninstrumente jeglicher Art ab. In den pittoresken Gässchen wird geleimt, gehämmert, lackiert und gespannt – oft noch mit alten Gerätschaften und Kniff en, die den Söhnen und Enkeln der Region seit Generationen überliefert sind. Einer von ihnen ist der Cellobaumeister Stefan Kreul. In der gemütlichen Werkstatt, einem ortstypischen Anbau seines Wohnhauses, feilt er Tag für Tag am richtigen Ton – und knüpft damit nicht ganz nahtlos an das Erbe seines Urgroßvaters Max Kreul an: »In der DDR waren selbständige Werkstätten ja nicht mehr so gerne gesehen und viele wurden in die volkseigenen Betriebe eingegliedert«, so Kreul. »Erst als klar wurde, dass Instrumente aus kleinen Manufakturen mehr Devisen, Prestige und Ansehen brachten, wurde das Ganze wieder ein bisschen aufgelockert.« Ab Mitte der Neunziger konnte Stefan Kreul so gemeinsam mit dem Vater – in der ehemaligen DDR als Ingenieur für Musikvorrichtungen tätig – der Hinterlassenschaft des Urgroßvaters zu neuem Glanz verhelfen. Dabei setzt er die Familientradition nicht nur fort, sondern entwickelt sie mit neuen Ideen stetig weiter. Er reproduziert und verändert Instrumente nach historischen Vorlagen, passt sie individuell an und forscht in Zusammenarbeit mit renommierten Musikern aus ganz Deutschland an neuen Modellen: »Oft kommen Kunden zu mir, die bereits ein Cello besitzen und es mit ein paar Verbesserungen nachgebaut haben wollen. Oder sie suchen nach einem sehr ähnlichen Instrument.«

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» Stefan Kreul in seiner Werkstatt beim Anpassen des Bassbalkens

Dennoch gleiche natürlich kein Modell Eins-zu-eins dem anderen. Zu groß sei der Einfl uss von Volumen, Wölbung und vor allem Holz auf den spezifischen Klang des Cellos: Hals, Zargen und Boden sind für gewöhnlich aus Ahorn, der nur auf nährstoff armem Hochgebirgsboden ideal gedeihen kann. Griff brett, Wirbel und Saitenhalter werden im besten Fall aus tiefschwarzem Ebenholz hergestellt, das heute nur noch sehr schwer zu beschaffen ist. Und der für den Klang wichtigste Teil – die Decke – muss aus leichtem, aber stabilem Fichtenholz gefertigt werden und soll später als eine Art schwingende Membran funktionieren: »Entscheidend sind dabei vor allem die sogenannten ‚stehenden Jahre’. Das bedeutet, die Jahresringe im Holz müssen parallel stehend nebeneinander verlaufen, sonst ist das Instrument von minderer Qualität«, sagt Stefan Kreul. Zudem bekomme eine Fichte das Prädikat »Klangholz« nicht nur durch Herkunft und Wachstum, sondern auch durch Alter und Lagerung: »Holz ist lebendig, es dehnt sich aus und zieht sich wieder zusammen. Deshalb muss es fürStreichinstrumente auch mindestens sieben Jahre winddurchlässig gelagert werden, dann ‚arbeitet’ es nicht mehr so viel.«

»Die Jahresringe im Holz müssen parallel stehend nebeneinander verlaufen, sonst ist das Instrument von minderer Qualität.«

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Ausarbeitung der Cellodecke mit kleinem Holzhobel »

Aufarbeitung und Bau des Instrumentes stehen der Mammutaufgabe für Holz-Beschaff ung und Lagerung in nichts nach. In einem monatelang andauernden Prozess von Grundierung, Verleimung der Einzelteile und mehreren Lackierungen ist viel Erfahrung, Geduld und vor allem Gehör gefragt. So kann nur durch ständiges »Anklopfen« versichert werden, dass die Arbeit in die richtige Richtung geht: »Da kann schon so einiges schief gehen«, so der Meister für Cellobau. »Ahornholz hat zum Beispiel verschiedene Dichten, kann dementsprechend zu dünn oder zu stark werden und später nicht richtig schwingen.« Schlussendlich treff en aber die meisten Instrumente in der Meisterwerkstatt den richtigen Ton und schaffen Ausarbeitung der Cellodecke mit kleinem Holzhobel den Aufstieg in den Kreul’schen Anspielraum im ersten Stock. Hier ist von der schlanken, leisen »Max Kreul« bis zu der kräftig-lauten »Montagnana« für jedes Gehör etwas dabei: »Wir haben hier immer bis zu sieben Meisterinstrumente stehen und dann natürlich noch die Maßanfertigungen, die darauf warten, getestet zu werden.«.

»Holz ist lebendig – es muss für Cello oder Geige mindestens sieben Jahre winddurchlässig gelagert werden.«

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Knochenleim »

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Stefan Kreul beim Anzeichnen der Celloform / Branding des hauseigenen Signets auf den Steg »

Ein Lieblingsstück hat Stefan Kreul trotz der großen Auswahl nicht. Hauptsache, es gefällt den Cellisten, die aus aller Welt zu ihm kommen: »Auch Klang ist ja Geschmackssache – das Gehör ist schließlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich«, sagt er bescheiden. »Aber wenn dann plötzlich so ein toller Musiker alles aus einem deiner Instrumente rausholt, dann macht einen das schon sehr stolz.

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F-Schablonen für die Anzeichnung der Schallöcher »

Mehr Infos unter: meistercello.de